Berlin – Vom 31. Januar bis 2. Februar hat die Dialogkonferenz „In Zeiten Digitaler Vereinnahmung Menschsein in einer neuen Daten-Welt“ auf dem GLS Campus Berlin im Stadtteil Prenzlauer Berg stattgefunden. Veranstalter waren das evolve-Magazin in Kooperation mit der Akademie Heiligenfeld. Mehr als 120 Personen tauschten sich in kreativen Dialogformaten aus, wie Humanismus und Digitalisierung zukünftig zusammengebracht und durch eine bewusste Dialogkultur das Menschsein gelebt werden kann.
Eröffnet wurde die Konferenz durch die Grußworte von Sven Steffes-Holländer, Chefarzt der Heiligenfeld Klinik in Berlin. Als Vertreter der Unternehmensgruppe Heiligenfeld zeigte er die besondere Verbindung mit dem Veranstalter auf. „Unsere Unternehmenskultur basiert auf den grundlegenden Werten und Zielen einer lebendigen Organisation, die sich gerade im Umgang miteinander, der Gestaltung der Beziehungen und der Abläufe ausdrücken“. Er verwies auf die gute Zusammenarbeit mit der Akademie Heiligenfeld und wünschte einen guten Verlauf der Veranstaltung.
Wem gehört die Zukunft?
Dieser Frage gingen die Teilnehmer nach einem Impulsvortrag von Dr. Thomas Steininger, Philosoph und Herausgeber des Evolve Magazins nach. „Die Digitalisierung ist eine Herausforderung, die uns so noch nicht begegnet ist“, sagte er zu Beginn seines Vortrages. Die Digitalisierung bietet dabei sowohl Chancen als auch Risiken für die Menschheit. Es geht um mehr als eine Gegenbewegung zur digitalen Vereinnahmung, sondern um einen Aufbruch um die Digitalisierung durch seelische Tiefe und kritische Reflexion zu gestalten. Es geht um das Mensch sein in einer neuen Daten-Welt. Er wünschte sich für die Konferenz co-kreative Nachdenkprozesse auszulösen über die menschliche Urteilskraft, dem Umgang mit den sozialen Medien und Medienmächten, sowie der Algorithmierung der Wirklichkeit und regte einen Diskurs zu unseren humanistischen Werten an. An der von Freitag bis Sonntagmittag dauernden Konferenz gab es am Samstagfrüh ein weiteres Interview zum Thema „Umfassende Kontrolle: Eine Kritik des Transhumanismus“. Janina Loh zeigte im Dialog mit dem leitenden evolve Redakteur Mike Kauschke auf, dass das mechanisierte Menschenbild den Menschen als sehr komplexe Maschine versteht, einer Ansammlung von Dateninformationen, deren Code dann geknackt zu Macht verhilft. Facebook und Amazon nehmen durch den digitalen Fußabdruck, den jeder im Internet hinterlässt, durch Algorithmen Empfehlungen vor und zeigen dabei auf, „was jemand ist“. „Wer jemand ist?“ lässt sich nach wie vor nur im direkten Umgang mit den Menschen erkennen und somit können Maschinen keine Kontrolle über den Menschen erlangen. Die Expertin für digitale Transformation sowie Trans- und Posthumanismus appellierte jedoch für einen bewussten Umgang mit der Technik, denn die Technik ist nicht neutral, hinter ihr stehen kapitalistische Werte des Herstellers.
Was Maschinen nicht können
Ein weiterer Impuls an diesem Tag war „Was Maschinen nicht können: Für einen neuen Humanismus“ von Roland Benedikter im Dialog mit evolve Herausgeber Thomas Steininger. Roland Benedikter ist Politikwissenschaftler und Soziologe sowie Autor zu Zukunfts- und Technologietrends. Er gehört dem Zukunftskreis der deutschen Bundesregierung an. Benedikter sagte, dass die Menschen sich immer mehr den Maschinen annähern und es von der Mensch-Maschinen-Interaktion zur Mensch-Maschinen-Verschmelzung kommt. Dem gegenüber steht der Humanismus, der dem Menschen besondere Fähigkeiten zuspricht wie Liebe und Dankbarkeit. Transhumanismus sieht er als zwingend notwendig, da wir sonst evolutionär in eine Sackgasse laufen. Wir alle können etwas tun und dennoch solle man es nicht dem Einzelnen überlassen, denn das führe zur Überforderung, sagte Benedikter. Wir brauchen eine neue Mitte in der Politik, welche die Humanisierung neu belebt, ergänzte er sein Abschlussplädoyer.
Wo bleibt das Leben
Am Sonntag stellten sich die Teilnehmer die Frage „Wo bleibt das Leben? Das Virtuelle und die Wirklichkeit“. Hierzu gaben Anna Mauersberger und Andreas Weber im Dialog mit evolve Redakteurin Dr. Nadja Rosmann einen Impuls. Anna Mauersberger ist Digital-Pionierin, Gründerin der Organisation HeartWire und Initiatorin des Innovation Hub „360° of Empathy“. Andreas Weber ist Philosoph und gilt als Vorreiter neuer Kulturen der Lebendigkeit. Der Schwerpunkt in diesem gemeinsamen Talk war der Diskurs um lebendige Beziehungen. Gemäß dem Grundsatz „Ich werde dadurch zu mir, dass ich euch die Möglichkeit gebe, zu euch zu werden“, ist jeder gefragt zu handeln, hat aber auch Handlungsspielraum, um lebendige Beziehungen zu ermöglichen und zu gestalten. Wir sollten dabei das Licht auf den Kosmos werfen, um ein lebendiger Teil einer ganzheitlichen Wirklichkeit zu werden, sagte Andreas Weber. Damit verbunden ist für Weber auch die Vision eines alternativen Wirtschaftens wie er in seinem neuen Buch schrieb, was ein „Zusammenleben in Gegenseitigkeit“ bedeuten könnte, eine Ökonomie der Commons, wie die Allmende-Wirtschaft oder die Gemeinwohlökonomie. Dabei steht unsere Lebensweise oft im Widerspruch zur Erfahrung der eigenen Lebendigkeit und kappt unsere Verbindung zur Natur. Er und auch Anna Mauersberger plädierten für die Aufnahme der Herzensbildung im Bildungssystem, um die Trennung von Kultur und Natur zu überwinden. „Denn die Zeit des Komfortablen ist vorbei und wir können volles Risiko eingehen. Wir sollten uns mehr einmischen und das in Verbundenheit“, war das Resümee dieses Impulses.
Im anschließenden Dialog hatten die Teilnehmer wieder die Möglichkeit, das Thema zu vertiefen und im Fishbowl zu diskutieren. Die Dialogkonferenz wurde zudem durch bewusst gestaltete Übergänge von Annette Loy die durch die Veranstaltung führte bereichert. Weitere dialogische Elemente waren Speed-Dating, Biopausen und eine Embodied Movement Integration durch Maegan Melissa Gorbett. Außerdem wurde die Veranstaltung durch die Aussteller, der Akademie Heiligenfeld, des Zentrums für spirituelle Wege Benediktushof Holzkirchen, dem Integralen Forum und evolve bereichert.