Wenn Angehörige Hilfe brauchen

Wenn ein Familienmitglied schwer erkrankt, bringt dies nicht selten die gesamte Familie aus dem Gleichgewicht. Je nach Art und Ausmaß der Erkrankung sehen sich Angehörige mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert: Da ist einerseits das Bedürfnis, für die Partnerin oder den Partner, ein Elternteil oder Kind da zu sein und alles in der Macht Stehende zu unternehmen, damit es ihr oder ihm bald wieder bessergeht. Auf der anderen Seite kommen Angehörige – gerade bei schweren und sich möglicherweise auch verschlechternden Erkrankungen – mit der Zeit selbst an die Grenzen ihres Leistungsvermögens. Und werden unter Umständen selbst krank.

In der Allgemeinbevölkerung leidet im Laufe eines Jahres etwa jeder Dritte zumindest zeitweise an einer psychischen Erkrankung; allen voran Depressionen und Angststörungen, aber auch Folgen von Substanzkonsum, Zwangserkrankungen, somatoforme Störungen oder Erkrankungen, die mit einer Beeinträchtigung der Realitätswahrnehmung einhergehen (Psychosen). Angehörige erleben dies in den allermeisten Fällen hautnah mit und bemerken die Veränderungen oft bereits von Anfang an, lange bevor professionelle Unterstützung in Anspruch genommen wird. Wenn überhaupt! Denn die Wartezeit beispielsweise für einen Psychotherapieplatz kann mehrere Monate betragen, und nicht selten verweigern Erkrankte solche Hilfe, aus Scham, fehlender Einsicht in die Notwendigkeit, aus Angst oder tatsächlich aufgrund der Schwere der Erkrankung, die ein „vernünftiges“ Verhalten beeinträchtigt. Die Folge ist häufig eine schrittweise Eskalation innerhalb der Familie, einhergehend mit heftigen Gefühlen, einem Hin-und-Her-Gerissen-Sein zwischen Unterstützen-Wollen und Ärger auf den Erkrankten, eigenen Schuldgefühlen, Hilflosigkeitserleben und einem zunehmenden Nachlassen der eigenen Kräfte. Gleichzeitig entsteht oft die Frage, ob man sich als Angehöriger selbst in den Fokus nehmen darf, wenn es dem Partner, Kind oder Elternteil noch schlechter geht.

Zusammengefasst erleben Angehörige häufig die folgenden Herausforderungen und Belastungen:

  • Wer sich um ein erkranktes Familienmitglied kümmert, ist oftmals selbst in hohem Maße belastet.
  • Es kommt zu einer Vernachlässigung eigener Bedürfnisse und oftmals zum Überschreiten der eigenen (Leistungs-)Grenzen.
  • Es bestehen Zweifel daran, ob man sich selbst in den Fokus nehmen darf, wenn es dem Familienmitglied schlecht(er) geht. Hier finden sich häufig auch Schuldgefühle!
  • Schuldgefühle entstehen auch im Hinblick auf die Frage, welche Rolle man selbst möglicherweise bei der Entstehung der Erkrankung gespielt hat? – „Welche Verantwortung trage ich?“
  • Widerstreitendes Erleben: Mitgefühl, Angst, Ärger und Frustration, und die Frage: „Darf ich so fühlen?“
  • Mehrfachbelastung der helfenden Angehörigen: Das Leid des Familienmitglieds zu erleben und hiervon betroffen zu sein, gleichzeitig möglicherweise mit der eigenen Hilflosigkeit umgehen zu müssen, Unsicherheit zu erleben, an die eigenen Grenzen zu kommen usw.
  • Angehörige ziehen sich möglicherweise aus Scham- oder Schuldgefühlen zurück, verlieren so die Möglichkeit eines positiven Austauschs mit anderen und vernachlässigen eigene Kraftquellen.
  • Auch finanzielle Sorgen können auftauchen, je nach Krankheitsbild des betroffenen Familienmitglieds und den finanziellen Ressourcen der Familie.

Auch Angehörige haben ein Recht auf Unterstützung! Es ist niemandem geholfen, wenn innerhalb einer Familie jeder an seine Grenzen stößt oder diese sogar überschreitet. Gleichzeitig stellt das beschriebene Spannungsfeld der gegensätzlichen Gefühle und Bedürfnisse eine spezielle Herausforderung dar, auf die eine angemessene Antwort gefunden werden muss. Ambulante Beratungs- und Selbsthilfeangebote können eine erste wichtige Unterstützung sein und werden mittlerweile auch vielerorts angeboten. Hier können sich Angehörige austauschen, Erfahrungen teilen und sich Mut machen. Manchmal jedoch sind auch diese Angebote nicht ausreichend, kommen zu spät oder passen nicht zu den Bedürfnissen der Angehörigen. In manchen Fällen braucht es ein Auf-Abstand-Gehen zum gewohnten Lebensumfeld, um überhaupt wieder die Möglichkeit zu haben, Kraft zu tanken und sich über die nächsten Schritte klar zu werden.

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