Die Leiterin des Personalmanagements der Heiligenfeld Kliniken, Dorothea Galuska hat sich Gedanken zu Sucht und Suche gemacht.
Dorothea Galuska ist Physio-, Bewegungs- und Körperpsychotherapeutin mit Ausbildungen in integrativer Bewegungstherapie und Orgodynamik, besitzt das europäische Zertifikat für Psychotherapie (ECP), Meditationslehrerin, seit vielen Jahren Schülerin der Ridhwan School (Almaas).
Was suchen wir wirklich?
Wir Menschen sind in unserem Leben oft auf der Suche, experimentieren, probieren uns aus. Nur wenigen ist die Erkenntnis Pablo Picassos gegönnt, der sagt: “Ich suche nicht – ich finde”.
Was sagt dieses Suchen aus?
Wonach suchen wir?
Welches Grundgefühl treibt diese Suche an?
In der Tiefe unserer Seele oder im innersten Kern empfinden wir Menschen von Zeit zu Zeit Unsicherheit, Mangel oder gar Leere. Diese Gefühle wahrzunehmen ist eine eigene erste Herausforderung – sie anzunehmen noch eine weitaus schwierigere. Unkomfortable Wahrnehmungen entziehen sich gern unserer Bewusstheit. Wir ignorieren, verdrängen oder kompensieren sie.
Kompensieren heißt, wir versuchen die Verunsicherung abzuschwächen, den Mangel auszugleichen oder die Leere zu füllen, weil es uns nicht gelingt, diesen Seinszustand bewusst auszuhalten und zu bezeugen. Unsere “inneren Macher” werden aktiv. Etwas in uns wird unruhig, unwohl und beginnt nach einer Veränderung dieses Zustands zu suchen.
Je unbewusster dieser innere Mechanismus abläuft, desto gefährdeter sind wir, dass diese Suche weg von der inneren Unruhe und Getriebenheit hin zu Suchtstoffen führt: Alkohol, Zigaretten, Zucker, Fett, Fernsehen, Kauflust, elektronische Spiele und vieles mehr. Sie können uns vorübergehend das Gefühl von Erleichterung und “Etwas” vermitteln. Dieses “Etwas”, von dem wir zunächst annehmen es gefunden zu haben, füllt und nährt uns aber nicht tiefgehend oder langfristig. Im Gegenteil, wenn der mehr oder weniger kurze Moment der “Füllung” vorübergeht, tauchen oft Schuldgefühle, Scham und noch größere Verunsicherung und Leere auf. Manchmal sind es erst sehr dramatische körperliche oder seelische Entwicklungen, die uns aufwecken und zum Umdenken und Umfühlen bringen.
Wo und wie können wir also aussteigen und umkehren? Ein erster Schritt ist, wie in vielen Selbsthilfegruppen gelebt, das Eingeständnis der Sucht. Wenn ich aufhöre, mir und anderen mit einer noch funktionierenden Fassade etwas vorzumachen, dass ich ohne Hilfe zurechtkommen würde. Wenn ich die Ängste und Einsamkeit hinter dieser Fassade beginne zu erkennen.
In vielen Lebensgeschichten wurde die Sehnsucht nach Verbundenheit auch in Leid und Schwäche wenig oder gar nicht gelebt. So haben wir nicht gelernt, unsere Fragen, unser Nichtwissen, unsere Ängste und unsere Abgründe einander zuzumuten oder um Unterstützung zu bitten. Und Unterstützung heißt nicht: “Nimm mir mein Leid ab” oder “Tu etwas für mich”. In erster Linie ist eine mitmenschliche Antwort, die Bereitschaft, das Leid des anderen anzuerkennen und es mit ihm oder ihr auszuhalten.
Auch hier ist Zeugenschaft manchmal hilfreicher und grundlegender als sofort aktiv zu werden. Situationen und Gefühle, die wirklich bezeugt, verstanden und anerkannt werden, können sich auch von innen her beruhigen. Erst die nächsten Schritte beziehen sich auf die äußeren Veränderungsmöglichkeiten. Verhaltentherapeutische Schritte sind notwendig und sinnvoll, aber sie sind ohne ein tiefgreifendes Forschen und Zusichnehmen der inneren Verantwortlichkeit für die eigenen Abgründe allein nicht ausreichend und nachhaltig heilsam.
Die Seele von uns Menschen sucht ihre eigene Tiefe und will sich auch in Leid begegnen. Die Chance dieses oft schmerzhaften Prozesses ist das Aufscheinen von Mitgefühl. Wir werden weicher und liebevoller mit uns selbst und meist auch mit unserer Umwelt.
2 Antworten
Liebe Frau Galuska,
vielen Dank für Ihren persönlichen Text. Sie sprechen mir aus der Seele!
Weiter so, Heiligenfeld!
Mit freundlichen Grüßen
Ines Bötsch
Sehr intensiv,nicht abgeklatscht , wie so oft! Doch es fehlt mir Drogen- und Tablettensucht, als mindestens so abgründig und zerstörerisch wie die oben genannten verirrten Versuche, DEM..(Nichtnochnichtimmernochnicht-Gesuchten?) zu
entkommen oder..nahezukommen! Vielleicht unterscheiden sich Menschen hier grundlegend. Wahrscheinlich zu simpel!