Spiritualität und Psychotherapie

Die Psychologie ist die Wissenschaft von der Beschreibung, Erklärung und Vorhersage des Verhaltens, Erlebens und Bewusstseins des Menschen. Sachverhalte zu verstehen und darüber hinaus kontrollieren zu können ist uns ein Grundbedürfnis. Kaum etwas finden wir unangenehmer, stressiger oder gar bedrohlicher als Dinge, die sich unserer Kontrolle und Einflussnahme entziehen. Wir kategorisieren, bewerten, urteilen – und schaffen uns auf diese Weise eine geordnete und in (augenscheinlich) nachvollziehbaren Bahnen verlaufende Welt. Unser Gehirn ist meisterhaft darin, diese Ordnung aufrechtzuerhalten, durch selektive Wahrnehmung, psychische Mechanismen der Ursachenzuschreibung, der (objektiv fehlerhaften) Wahrscheinlichkeitseinschätzung und vielem mehr. In aller Regel funktionieren diese Prozesse gänzlich unbewusst und störungsfrei, sparen Energie und helfen uns, den Alltag zu bewältigen. Was aber geschieht, wenn diese Überzeugung der Kontrollierbarkeit ins Wanken gerät? Unsere Neigung, alles in Kausalketten von Ursache und Wirkung zu verstehen, ist tief in uns verwurzelt, oder mehr noch: So funktioniert unser Handeln, so lernen wir (“trial and error”) und so begreifen wir die Welt um uns herum. Diese Welt jedoch entzieht sich manchmal unseren Erklärungsmustern, ist unvorhersehbar, kann uns bestenfalls “einen Streich spielen” und uns schlimmstenfalls überrollen. Wir verwenden hierfür oft das Wort “Schicksalsschlag”, als Bezeichnung für etwas, das uns völlig unvorbereitet trifft, unsere Grundfesten erschüttert, unseren Glauben an das Gute in der Welt zum Beben bringt. Wie geht man um mit dem plötzlichen Verlust eines geliebten Menschen? Was, wenn man Zeuge oder selbst Opfer eines schrecklichen Unfalls, einer Katastrophe, eines Terroranschlags wurde? Wie verkraften Menschen Erfahrungen von (institutionalisiertem) Missbrauch, Folter und Gewalt?

Die Diagnose der “Posttraumatischen Belastungsstörung” existiert seit 1980, als Sammelbegriff für eine Reihe von Symptomen, die alle in Folge ganz verschiedener, erschütternder und häufig lebensbedrohlicher Situationen bei den Betroffenen auftreten können. Verschiedenste psychotherapeutische Methoden wurden in den letzten Jahrzehnten entwickelt, um hier angemessen Hilfe leisten und die Beschwerden lindern zu können. Gemeinsam ist den verschiedenen Ansätzen der Umstand, dass der Mensch durch die Traumaerfahrung eine grundlegende Erschütterung und Verunsicherung erlitten hat, die sich vor allem dann auf die therapeutische Beziehung auswirkt, wenn das Trauma durch (einen) Menschen zugefügt wurde. Für Therapeut und Patient stellt die Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung eine Grenzerfahrung dar: Grenzen wurden verletzt, eingerissen, hinweggefegt, der Betroffene bleibt (seelisch und/oder körperlich) verwundet zurück. Die gemeinsame Aufgabe besteht dann darin, das Erlebte so gut es geht zu verarbeiten und dabei alle Ebenen – die körperlichen, seelischen und emotionalen Folgen sowie die Veränderungen im Miteinander – in die Therapie miteinzubeziehen.

Posttraumatische Belastungsstörungen werden an dieser Stelle beispielhaft genannt, als eine der psychischen Erkrankungen, bei denen massive Veränderungen im Denken, Fühlen und Verhalten der Betroffenen zu beobachten sind. Und vor allem exemplarisch für eine psychotherapeutische Herangehensweise, bei der sich neben den “Standardmethoden” zunehmend auch weitere Ansätze etabliert haben: Ansätze, in denen die Frage nach einem höheren Sinn eine Rolle spielt, die den Menschen nicht als getrennt und isoliert, sondern als eingebettet und getragen verstehen. Man könnte vielleicht sagen, dass dem “schrecklich Unfassbaren” mit andererseits Unfassbarem begegnet werden soll – mit dem Großen Ganzen um uns herum. Stichwort Spiritualität.

Dr. Joachim Galuska, Geschäftsführer und Mitbegründer der Heiligenfeld Kliniken im unterfränkischen Bad Kissingen, versteht unter Spiritualität “den persönlichen Bezug zu allem, was uns als Menschen und unser Dasein überschreitet”. Die Heiligenfeld Kliniken betonen seit der Gründung im Jahr 1990 die spirituelle Komponente innerhalb der Psychotherapie und hatten damit lange Zeit eine Vorreiterrolle inne. In den letzten Jahren finden insbesondere Elemente fernöstlicher, buddhistischer Traditionen mehr und mehr Berücksichtigung im westlichen Therapieverständnis, unter den Begriffen der Achtsamkeit und der Entschleunigung. Die positive Wirkung des Innehaltens und der bewussten Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt, jenseits von Bewertung, Urteil und Kritik wurde vielfach untersucht und bestätigt.

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2 Antworten

  1. Hallo Frau Prieb,

    vielen Dank für diesen Artikel. Die Kombination von Psychotherapie, insb. Traumatherapie mit Spiritualität ist so wichtig und stellt meiner Meinung die Zukunft der Arbeit mit Menschen dar. Ich freue mich sehr, dass es eine Klinik gibt, die den Mut hat öffentlich sichtbar diesen Weg zu gehen.

    Allerdings wundere ich mich etwas, dass sie, jedenfalls in diesem Artikel, den Fokus auf Schocktrauma, statt Entwicklungstrauma haben. Die wenigsten Menschen leiden an Schocktrauma, fast alle an Entwicklungstrauma. Wenn man tiefer schaut, stelle zumindest ich fest, dass jedem Schocktrauma ein Entwicklungs(Bindungs)trauma zugrunde liegt.

    Grüße
    Gopal

    1. Sehr geehrte/r Gopal,

      vielen Dank für Ihr Feedback.

      Das ist richtig, dass wir in diesem Artikel den Fokus auf das Schocktrauma gelegt haben. Allerdings ist dies nicht nach Wichtigkeit oder Häufigkeit der Traumatas zu bewerten.

      Liebe Grüße aus Bad Kissingen
      Marina Prieb

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