Vertrauen – die Basis für ein gutes Leben

Vertrauen – ein großes Wort. Doch was ist Vertrauen überhaupt und kann man Vertrauen lernen? Was bestimmt unser Vertrauen? Der Gründer der Heiligenfeld Kliniken, Dr. Joachim Galuska, hat sich für einen Fachbeitrag in der Zeitschrift maas all diesen Fragen gewidmet. 

Urvertrauen

Als Kern unseres Vertrauens als Menschen wird das Urvertrauen betrachtet. Urvertrauen entsteht, wenn die mütterliche Bezugsperson für den Säugling und das Kleinkind in ausreichender Weise verfügbar ist, es auf sich einstimmt, sich in das Kind einfühlt, auf seine Bedürfnisse, Emotionen und Äußerungen eingehen kann und ihm das Gefühl gibt, geborgen zu sein, dazuzugehören, willkommen zu sein, letztendlich angenommen und geliebt zu werden, so wie es ist. All diese Erfahrungen können gestört werden, schicksalhaft durch den Verlust früher Bezugspersonen, durch mangelnde Einfühlungsfähigkeit oder weil ein Kind unwillkommen ist oder abgelehnt wird.

Dann entsteht – so wird manchmal gesagt – ein Urmisstrauen dem Leben gegenüber. Aber es ist eigentlich kein Misstrauen, sondern eine zerrüt­tete oder gebrochene Basis der Persönlichkeit, die in sich selbst zerrissen oder gespalten ist und keinen inneren Halt besitzt. Ohne Urvertrauen le­ben wir Menschen in einer ständigen Bedrohung, uns zu verlieren, verletzt zu werden oder unser Leben zu verlieren, so dass das Leben mehr einer Art Überlebenskampf oder einer Abwehr des Lebendigen in uns gleicht. Das Urvertrauen ist die Basis dafür, dass wir ein angemessenes Vertrauen in uns selbst und in andere Menschen gewinnen können: »Vertrauen in Vertrauen «.

Selbstvertrauen 

Personale Kompetenz ist der wichtigste Faktor für ein gesundes Leben, wie uns die moderne Gesundheitspsychologie lehrt. Gesundheit – nicht nur seelische Gesundheit – basiert auf dem sogenannten Kohärenzsinn, dem Vertrauen darin, dass ich auf mein eigenes Leben Einfluss nehmen kann. Dieses Prinzip wird auch manchmal als »Selbstwirksamkeit« bezeichnet: Ich bin also in der Lage, selbst auf mein Leben wirken zu können. Selbst wenn die Bedingungen schwierig sind, habe ich noch Handlungsmöglichkeiten und Vertrauen darin, diese nutzen zu können.

Die dazu erforderliche Kompetenz ist die Selbstführung. Selbstführung sollte eigentlich jeder Mensch bereits in der Schule lernen. Sie besteht zunächst aus der Selbststeuerung, aus der Fähigkeit, sich selbst in den jeweiligen Situationen steuern und regulieren zu können. Dies kann heißen, zentriert zu sein, sich in einem inneren Gleichgewicht zu befinden, innere Achtsamkeit zu besitzen, seine Gefühle wahrnehmen zu können und mit ihnen umgehen zu können, sich selbst im Kontakt und den Gesprächen erleben und regulieren zu können. Das Selbstmanagement meint die Fähigkeit, sich selbst Ziele setzen zu können, seine eigenen Lebensbereiche und Arbeitsbereiche sinnvoll zu planen, ein effektives Zeitmanagement zu besitzen und die eigenen Vorsätze auch um­ setzen zu können. Selbstführung mittel- und langfristig betrachtet bedeutet, sein eigenes Leben gestalten zu können, gemäß der eigenen Lebensvisionen sich selbst verwirklichen zu können, Partnerschaft und Familie zu gestalten, seine Karriere zu planen und Erfüllung in seinem beruflichen Handeln zu finden. Eine gute Selbstführung ist sicherlich fundamental für eine Burnout­ Prophylaxe, darüber hinaus ist sie jedoch auch der Kern jeglicher Resilienz­ Entwicklung und somit die Basis unserer psychosozialen Kompetenz.

Soziales Vertrauen

Den zweiten großen gesundheitsförderlichen Faktor könnten wir soziales Vertrauen nennen, unsere Fähigkeit, uns auf Beziehungen einzulassen, uns anderen Menschen anzuvertrauen, uns hinzugeben an ein Wir, eine Partner­schaft, eine Freundschaft, eine Arbeitsbeziehung und uns in dieser Beziehung beeinflussen und führen zu lassen, uns darin jedoch nicht zu verlieren. Psychologisch gesehen besteht eine der größten Aufgaben eines modernen er­wachsenen Menschen darin, sowohl sich selbst zu entfalten und zu verwirklichen, als auch sich als Teil mitmenschlicher Beziehungen, als Teil einer größeren Gemeinschaft zu erleben und sich einzubringen. An dieser Gleichzeitigkeit scheitert unsere gegenwärtige egozentrische und individualistische Kultur. In Beziehungen nicht als eigener Mensch wahrgenommen zu werden, missachtet oder gar missbraucht zu werden, kann oftmals dazu führen, dass wir uns zurückziehen und dann selbst auch andere Menschen nur für unsere Zwecke benutzen. Und eine tiefergehende Beziehung basiert nicht auf einem reinen Austausch zweier Menschen, die immer darum ringen, ob die Balance von Geben und Nehmen stimmt, sondern letztlich auf Liebe – also auf der Fähigkeit, etwas zu geben, ohne aufzurechnen, in dem Wissen und schließlich dem Vertrauen darauf, dass die Teilhabe an dem Beziehungsganzen einen wesentlich größeren Reichtum darstellt, als der unmittelbare Rücklauf an Zeit, Anerkennung, Bestätigung, Befriedigung und so weiter.

Spirituelles Vertrauen

»Vertraue auf Gott, aber binde dein Kamel an!« – So einfach dieser Sufi-Spruch zu klingen scheint, er hat es ziemlich in sich! Spirituelles Vertrauen ist der dritte große gesundheitsförder­liche Faktor, wie Wilfried Belschner, inzwischen emeritierter Universitätsprofessor aus Oldenburg, in vielen Studien, an denen auch wir beteiligt ge­wesen sind, nachgewiesen hat. Menschen mit einem spirituellen Bezug sind gesünder und haben bessere Heilungschancen als andere. Spirituelles Vertrauen ist das Vertrauen darin, Teil eines grö­ßeren Zusammenhangs zu sein, Ausdruck eines Unbekannten, eines göttlichen Urgrunds oder wie auch immer man das nennen will. Es, basiert auf der Erfahrung, nicht verloren gehen zu können im Kosmos, getragen zu sein von etwas Unbekanntem, das mich lebt und das mich auch sterben lassen wird .

Für einen religiösen Menschen ist es der Glaube an Gott, für einen spirituellen Menschen das Wis­sen um das große Unbekannte, das dieses Ver­ trauen hervorbringt. Doch zugleich ist es die  Erfahrung, dass das Göttliche, Absolute, Größere sich auch in mir als Ich in dieser Welt, als diese Welt, in diesem Leben, als dieses Leben manifestiert. Auch diese Welt mit all ihren Krankheiten, Störungen, Widersprüchen und Grausamkeiten ist Ausdruck dieses Unbekannten und folgt einer Intelligenz, von der wir noch weit entfernt sind, diese zu begreifen. Darum binde dein Kamel an, denn du bist Teil dieser Welt, und vertrau auch darauf, dass deine Urteilskraft ein Teil dieser In­telligenz ist. Dies ist für uns gegenwärtig eine große Lektion : Für nicht spirituelle Menschen, die lediglich immer ihr Kamel anbinden gemäß dem Spruch »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser«, heißt sie, zu lernen zu erkennen, dass unser Leben viel tiefer und weiter ist, als wir es uns bisher im­mer vorgestellt haben und dass wir aus dieser Dimension Orientierung und Kraft schöpfen kön­nen. Und für spirituelle Menschen bedeutet diese Lektion, nicht abzuheben im Vertrauen darauf, dass alles schon irgendwie gut wird, zum Beispiel, wenn ich schwer krank bin, sondern anzuerken­nen, dass das Wissen, die Technologie der Welt und sicherlich auch unsere Wirtschaftsstrukturen ihren Wert besitzen.

>> Vertrauen bedeutet in seiner Essenz – Hingabe an das Leben. <<

Als Unternehmer benötige ich Selbstvertrauen und eine realistische Selbsteinschätzung dessen, was ich kann und was ich nicht kann. Ich benötige soziales Vertrauen in meine Mitarbeiter, in die Mitbewerber, in die Gesellschaft, in der ich lebe . Ich benötige spirituelles Vertrauen oder ­ Gottvertrauen darin, dass mein Handeln einen Sinn und einen Wert hat und beitragen kann zu einem guten Leben oder einer Weiterentwicklung von uns Menschen. Und ich bin bereit, Risiken einzugehen, das heißt, etwas zu wagen, etwas auszupro­bieren, nicht im Vertrauen, dass alles gelingt, sondern dass ich auch schwierige Situationen handhaben kann. Letztlich ist mein Mut zum Han­deln verbunden mit meiner Überzeugung, dass es sich lohnt, und mit meinem Vertrauen, dass ich auf die verschiedenen Herausforderungen des Lebens vielleicht Antworten finden kann. Unter­nehmer zu sein heißt für mich insofern, das Leben zu riskieren, mich hinzugeben an das Leben und damit auch die Erfahrung des Scheiterns mit einzukalkulieren. Auch unser Scheitern, unsere Fehler, unsere Unvollkommenheit gehören zum Leben. Aber mein Eindruck ist: Erst wenn wir auch dies annehmen, kann unser Leben wirklich tief und erfüllt sein.

“Sich dem Leben hingeben”

Es geht also darum zu lernen, sich dem Leben in seiner Größe und Tiefe und seiner Einzigartig­keit hinzugegeben. Und wir können dies nur in diesem unseren Leben. Und wir können dies auch nur in diesem gegenwärtigen Moment, denn sonst haben wir nichts wirklich. Und wer weiß, vielleicht verweist uns dieses Wort Vertrauen noch auf eine andere Dimension, die wir nur erspüren können, und so möchte ich schließen mit einem Satz von Khalil Gibran:

>> Vertrauen ist eine Oase des Herzens, die von der Karawane des Denkens nie erreicht wird. <<

 

Autor: Dr. Joachim Galuska

Autor: Dr. Joachim Galuska

Dr. Joachim Galuska ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und für Psychiatrie und Gründer und Gesellschafter der Heiligenfeld Kliniken. In seiner jahrelangen Tätigkeit als Ärztlicher Direktor beschäftigte er sich viele Jahre mit dem Thema Resilienz in Bezug auf die persönliche und unternehmerische Weiterentwicklung.

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3 Antworten

  1. Das ist lustig:

    Mit dem Satz von Khalil Gibran:
    >> Vertrauen ist eine Oase des Herzens, die von der Karawane des Denkens nie erreicht wird. <<
    führe ich seit Jahren durch den "Pfad des Lebens" im meinem Hortus Aphrodite in Aura.

    Nun lese ich den Satz als Abschluß des Artikels von Hr. Galuska zum Thema Vertrauen.

    Grüne Grüße vom Naturgarten
    Thomas Weimar

    1. Lieber Herr Weimar,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Ein schöner Satz, der es einfach treffend beschreibt.
      Viele Grüße nach Aura!
      Kathrin Schmitt

  2. Vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag. Wir alle wünschen uns doch ein gutes Leben und sollten es auch unseren nächsten gönnen. Ein gutes Leben bedeutet für uns, ein selbst bestimmtes, freies und erfülltes Leben zu führen. Das umsetzen zu können setzt voraus, sich selbst gut kennengelernt zu haben und zu wissen, was man vom eigenen Leben erwartet.
    Wie muss unser Leben aussehen, damit es zu uns passt? Die eigene Lebensgestaltung ist für viele junge und auch noch ältere Menschen eine echte Herausforderung. Für manche so anstrengend, dass sie es vermeiden, sich Gedanken darüber zu machen.
    Und dennoch gibt es doch einige gute Tipps, die jeder für sich mitnehmen kann, wenn er ein gutes Leben führen möchte. Wer sich bewusst ist, dass sein eigenes Denken ausschlaggebend dafür ist, wie er lebt, ist schon ein schönes Stück weiter gekommen. Die eigene Gedankenwelt – wie sie auch immer ist – manifestiert sich in der Lebensrealität.
    Wir erleben unser eigenes Leben ganz subjektiv. Unsere Erfahrungswelt ist ausschlaggebend dafür. Wer sich als Opfer sieht, lebt wahrscheinlich wie eines.
    Was ist die Quelle für viele Probleme im Leben? Unserer Erfahrung nach ein mangelndes Selbstwertgefühl und uns behindernde, einschränkende Glaubenssätze, die jeder von uns verinnerlicht seit seiner Kindheit. Wer denkt, Arbeit bedeutet immer Stress, kann wenig Spaß dabei entdecken, etwas zu schaffen. Wer denkt, das Leben ist zu hart, wird ebenfalls wenig Leichtigkeit in seinem Dasein finden.
    Ein gutes Leben können wir führen, wenn wir uns trauen, auf unsere innere Stimme zu hören und ihr folgen. Denn dann folgen wir unserer eigenen Bestimmung. Diese zu entdecken bringt in die eigene Mitte und lässt das Leben sich sinnvoll anfühlen. Und das ist es, was sich jeder wünscht: Ein sinnvolles, erfülltes Leben zu führen.

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