Wir haben – trotz aller etwaigen Bemühungen – nicht wirklich die Kontrolle darüber, was in unserem Leben passiert. Selbstverständlich kann man Vorsorgen treffen, Versicherungen abschließen, Rücklagen bilden und versuchen, der Welt im Kleinen und Großen irgendwie voraus zu sein… Und dann kommt ein globales Ereignis mit Auswirkungen und Maßnahmen, die sicher die allerwenigsten in dieser Form und in diesem Umfang antizipiert hatten!
Kontrolle ist uns Menschen ein zentrales Anliegen, die Psychologie spricht von einem Grundbedürfnis. Wäre unsere Umwelt unvorhersehbar und chaotisch, wäre ein Leben in ihr schlichtweg nicht möglich. Indem wir Muster erkennen, Ursache-Wirkungs-Prinzipien durchschauen und Reaktionen anderer Menschen auf unser Verhalten hin vorauszusehen versuchen, werden wir ein Teil der Welt und der sozialen Gemeinschaft. Was wir jedoch aufgrund des alltäglich tausendfachen Erlebens von (gefühlter) Kontrollierbarkeit aus den Augen verlieren, ist die Tatsache, dass „die große Existenz“ eigenen Regeln folgt.
Die Corona-Pandemie führt uns dies beispielhaft und eindringlich vor Augen. Alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bemühungen sind letztlich ein Kampf um Wahrscheinlichkeiten und der Versuch, Schlimmeres zu verhindern. Vieles ist noch immer unklar, sei es nun im Hinblick auf den Ursprung des Virus, seine konkreten Eigenschaften, die Risikofaktoren für einen schweren Verlauf der Erkrankung etc. etc. Dieses Aushalten-Müssen, dieses Noch-Nicht-Wissen stellt uns alle vor eine Herausforderung. Und wo es bisher keine Antworten gibt, werden diese mitunter selbst konstruiert, wird versucht, das Unbegreiflich-Komplexe ins Vereinfachte hineinzupressen.
Krisenzeiten können einen Menschen verändern – seine Sicht auf sich selbst, auf seine Mitmenschen, seine Umwelt… und vielleicht auch auf seine Existenz als Ganzes. Die Corona-Pandemie zeigt uns, dass manchmal jegliche Kontrolle zwecklos ist, denn wir Menschen können niemals jede Eventualität voraussehen und uns hierfür einen Plan B, C, D, … zurechtlegen. Stattdessen bietet uns diese Krise vielleicht die Gelegenheit, den eigenen – zwangsläufig begrenzten – Blick zu weiten und das Unbekannte ein Stück weit als Lebensrealität zu akzeptieren. Das Sprichwort „Relax! Nothing is under control.“ bringt dies wunderbar, wenn auch in durchaus radikaler Form, auf den Punkt. Und es kann als Gegenpol verstanden werden: Ist Kontrolle wirklich besser?
Die Akzeptanz einer „großen Unbekannten“ in unserem Leben kann Angst machen oder Vertrauen entstehen lassen. Spiritualität meint diese Hinwendung zu ebenjener „höheren Kraft“, als Suche, als Prozess, als Entwicklung.
In den Heiligenfeld Kliniken gehört die spirituelle Ausrichtung von Anbeginn an zu unserem therapeutischen Verständnis. Wir unterstützen jeden Menschen an seinem individuellen Platz im Leben – um Vertrauen wachsen zu lassen, wo vielleicht bisher Angst und ein Bedürfnis nach Kontrolle dominierten.