Was kommt Ihnen in den Kopf, wenn Sie an Weihnachten und Silvester denken? Bratapfelduft, besinnliche Tage, Zeit für die Familie und Freunde? Oder doch eher Menschenmengen in den Städten, Geschenkestress, Streit unterm Weihnachtsbaum? Für die einen ist Weihnachten die schönste Zeit des Jahres, für die anderen die Schlimmste. Denn gerade in der eigentlich ruhigen Zeit kann der psychische Druck des gesamten Jahres ausbrechen. Dr. Joachim Galuska, Mitbegründer und Ärztlicher Direktor der Heiligenfeld Kliniken in Bad Kissingen, hat sich mit dem Zusammenhang zwischen Weihnachten und seelischen Krisen beschäftigt und gibt im Interview unter anderem darauf Antwort, warum gerade an Weihnachten viele Menschen in die Heiligenfeld Kliniken nach Bad Kissingen kommen.
Herr Dr. Galuska, was stellt uns an Weihnachten vor besondere Herausforderungen im Hinblick auf unser seelisches Wohl?
Weihnachten ist eine besonders sensible Zeit für unsere Seele. Im Winter, wenn es dunkler wird und die Gesellschaft weihnachtlich wird, beginnen wir uns zurückzubesinnen auf unsere Seele, auf unsere Gefühle, auch auf unsere Kindheit. In dieser Zeit entstehen viele Sehnsüchte nach Geborgenheit, nach Aufgehobensein, nach Frieden in der Familie und in der Welt. Auf der anderen Seite ist es eine Zeit, die im Beruflichen voller Stress und vieler Anforderungen und Aufgaben ist. Vor dem Jahresende müssen noch viele Dinge erledigt werden, die Jahresziele sollen erreicht werden, die Planung für das nächste Jahr beginnt.
Der beginnende Winter führt zu erhöhten Krankheitsfällen, so dass Vertretungen erforderlich sind und es insgesamt zu einer hohen, im Grunde der höchsten Belastung im Laufe eines Jahres kommt. Die vorweihnachtliche Zeit ist also besonders anfällig für Krisen, die damit zusammenhängen, dass Menschen sich lange zusammengerissen haben, ihre Leistung gebracht haben, aber an der Grenze ihrer Kräfte und ihrer Fähigkeiten arbeiten, sich selbst zu führen und zu regulieren.
Nicht jeder bricht dann aber gleich zusammen. Wer ist besonders gefährdet?
Wenn ein Burnout-Prozess bereits fortgeschritten ist, wenn also ein Mensch schon seit längerer Zeit nicht mehr in einem guten Kontakt mit seiner Seele und seinen Fähigkeiten sich zu balancieren ist, wenn er sich schon eine lange Zeit von seinen Ansprüchen, von äußeren Zielen, von Erwartungen, von Leistungsdruck hat führen lassen, dann ist er schon in einer Situation des Ausbrennens. Und diese vielen Einflüsse in der Weihnachtszeit, der große Stress, die Sensibilisierung dadurch, dass unsere Seele in ihrer Bedürftigkeit angesprochen ist, auch das Aufgeladensein in der Weihnachtszeit durch die vielen Erfahrungen, die man mit Weihnachten als Kind oder als Jugendlicher gemacht hat, ob sie gut oder schlecht gewesen sind, all dies kann dann dazu beitragen, dass wir unsere Leistungsfähigkeit, unsere Funktionsfähigkeit, unsere Stabilität nicht mehr halten können und zusammenbrechen.
Was verstehen Sie unter „zusammenbrechen“? Wie äußert sich das?
Zusammenbrechen bedeutet depressiv zu werden, das Gefühl zu haben es nicht mehr zu schaffen, nicht mehr gut zu funktionieren, sich überfordert zu fühlen, hoffnungslos zu werden, sich selbst zurückzuziehen, am liebsten die Decke über den Kopf ziehen zu wollen und nicht mehr aus dem Bett aufzustehen. Es kann aber auch sein, dass ich versuche in dieser Zeit mich zu betäuben, um all das nicht zu spüren und trotzdem noch zu funktionieren. Zum Beispiel Alkohol zu trinken, Medikamente zu nehmen, viel zu viel zu essen, Dinge zu tun, die mich beruhigen und ablenken, aber die nicht wirklich nähren, kräftigen, befriedigen. Das kann dann auch außer Kontrolle geraten und in wirkliche suchtartige Exzesse führen. Oder ich halte mich mit Mühe aufrecht, ziehe alles durch, die vielen Termine nicht nur in der Arbeit, sondern auch zuhause, und das ohne loszulassen und mich zu entspannen. Und dann reagiert unser Körper mit Schmerzen im Kopf, im Rücken, im Bauch. Wir nennen das Somatisierungsstörung. Oder ich bekomme panikartige Angst, alles nicht zu schaffen, überfordert zu sein, und beginne mich zurückzuziehen und immer mehr Angst zu entwickeln, den Dingen und mir selbst nicht gewachsen zu sein.
Was kann ich tun, wenn ich in eine solche Situation gerate?
Dann ist ein Ort hilfreich, an dem ich, wenn ich zusammengebrochen bin, mich wieder finden kann, an dem ich Geborgenheit finde, Heimat finde, an dem ich aufgehoben bin. Ein solcher Ort könnte z. B. bei Freunden oder der Familie sein. Manchmal sind diese allerdings auch überfordert, überlastet und kämpfen gerade mit sich selbst und ihren Familien, um zurecht zu kommen. In solchen akuten Krisensituationen kann auch eine Psychosomatische Klinik ein Zufluchtsort sein. Entscheide ich mich für den Weg der Therapie, gebe ich dieser Krise eine Chance. Und diese Chance ist in dieser Weihnachtszeit besonders groß, weil sie gesellschaftlich und kulturell eine Zeit des Wechsels ist. Die Tage werden kürzer, es wird dunkler und ab Ende Dezember, wenn die Wintersonnenwende vorbei ist, werden die Tage wieder länger.
Weihnachten ist das Fest des Lichtes, des Lichtes, das in die Welt gekommen ist, aber auch der längeren Tage. Ab Weihnachten geht es bergauf für viele Menschen, die unter der Dunkelheit leiden. Wir freuen uns auf das nächste Jahr, und machen uns gute Vorsätze. Weihnachten ist sowieso eine Zeit der Besinnung, der Reflexion, der Innenschau und diese Kraft kann für eine Therapie genutzt werden. Wenn ich in einem Burnout-Prozess bin, wenn ich zusammenbreche in dieser Zeit, an dieser vielfältigen Gefahr der Überlastung, dann kann das eine gute Chance sein zu sagen: “Jetzt nehme ich das Leben richtig in die Hand, jetzt nutze ich diese Stimmung der Wandlung, die in unserer Kultur in dieser Zeit da ist und mache eine gründliche und begleitete Innenschau in Form einer systematischen Psychotherapie, z. B. in Form einer systematischen stationären Behandlung”.
Vielen Dank für das Gespräch
Dr. Joachim Galuska
Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie, Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor der Heiligenfeld Kliniken in Bad Kissingen. Herausgeber verschiedener Bücher, Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande, Initiator des gesellschaftlichen Aufrufs zur psychosozialen Lage in Deutschland.
2 Antworten
Weihnachten – ein Fest des Lichtes und der Liebe, das durch die Geburt eines jeden Kindes in unser Leben gebracht wird
Wenn ich an Weihnachten denke, dann wird es mir warm ums Herz. Ich spüre Glück in meiner Seele, in meinem Körper. Dieses Fest ist neben dem Osterfest für mich das höchste und hoffnungsvollste im Jahresverlauf.
Durch das Binden des Adventskranzes (in grün und rot) stimme ich mich auf die lichtvolle und vorbereitende Zeit ein. Ich freue mich an den verschiedenen Düften in unserem Haus, die nur in der Adventszeit wahrzunehmen sind, die Freude auslösen beim Nach-Hause-Kommen. Das gesamte Haus wird ausschliesslich mit (roten) Kerzen beleuchtet, um die wärmende Atmosphäre, die von “offenen Flammen” ausgeht, zu spüren. Die Geschenke (ich liebe es, zu schenken, anderen eine Freude zu machen) bemühe ich mich, bereits vor dem 1. Advent zusammenzutragen, um die Stadt in dieser wundervollen Zeit zu meiden, die ich dann als besonders aggressiv und konsumorientiert empfinde. Ich ziehe mich zurück, schreibe Briefe an in der Ferne lebende Freunde, schicke Päckchen an meine Patenkinder, spiele Weihnachtslieder auf dem Klavier, singe dazu und höre Musik, die von dem freudigen Ereignis kündet, auf das ich mich innerlich vorbereite, auch durch entsprechende Lektüre.
Die Adventssonntage werden in der Gemeinschaft verbracht, bei gemeinsamen Mahlzeiten, Weihnachtsgebäck, Weihnachtsgeschichten, Austausch mit Menschen, manchmal auch Gesang.
Dann das Entgegenfiebern der Heimkehr – zu meinem jüngsten Sohn und mir – meiner 3 ausserhalb lebenden Kinder zu den Festtagen. Die Vorfreude lässt mich ein wenig schweben. Lebendigkeit, Chaos und Schlafmangel ziehen mit ihnen ein. Jeder will wahrgenommen werden, möchte erzählen, sich mitteilen. Glücksmomente. Erkenntnis, dass es mir trotz meiner schauderhaften Kindheit und Jugend, kriegerischer Weihnachtstage im Elternhaus, gelungen ist, Neues zu generieren, was für mich und andere Menschen kostbar ist, aus dem ich Kraft schöpfen kann für das nicht immer einfache Leben, das bewältigt werden will und soll.
Ein bescheidenes Mahl am Heiligen Abend. Zum ersten Mal nach 11 Jahren soll in diesem Jahr wieder der Versuch unternommen werden, gemeinsam zu musizieren und zu singen, was seit dem Suizid des Vaters meiner Kinder nicht mehr möglich war.
Üppigere Speisen an den beiden anderen Tagen mit Desserts und Kuchen, die es nur in der Weihnachtszeit gibt. Gemeinsam mit einem Teil der Großfamilie und allein lebenden Freunden.
Ausruhen zwischen den Jahren. Rückzug. Nachdenken über das vergangene Jahr, sich all des Schönen erinnern, das ich erleben durfte, aber auch das Schmerzhafte betrachtend. Loslassen. Raum schaffen für Neues. Für das, was das
Neue Jahr bringen möchte und es herzlich begrüssen. – Das Leben leben mit all seinen Möglichkeiten und Sinnen, das wünsche ich allen Menschen. Nicht nur zur Weihnachtszeit sondern jeden Tag neu. Den Mut haben, Neues auszuprobieren, fremde Wege zu beschreiten und die Vielfalt des Daseins kennenlernen in diesem oft viel zu kurzen Erdenleben. Wir können nur gewinnen – und sei es einzig an Lebensweisheit, die doch eines der kostbarsten Güter des Menschen ist. Niemals dürfen wir vergessen, dass ein jeder von uns in diese Welt gesandt wurde, um die Dunkelheit zu erhellen oder sogar zu vertreiben.
Mit von Herzen kommenden guten Wünschen für die Leser dieses Beitrags,
Zuzanna Heinrich
Liebe Frau Heinrich,
vielen Dank für Ihren wunderschönen Bericht darüber wie Sie die Adventszeit und das Weihnachtsfest spüren, wahrnehmen und feiern. Vom ganzen Herzen wünsche ich Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und einen positiven Jahresbeschluss.
Ihre Marina Prieb
Heiligenfeld GmbH