Der Sommer und der damit verbundene Sommerurlaub sind für viele Menschen eine ersehnte Zeit der Erholung. Doch gerade bei psychischen Vorerkrankungen – wie Depressionen, Ängsten oder Erschöpfung – ist die Urlaubszeit nicht immer automatisch eine unbeschwerte Phase. Statt Erholung kann auch innere Unruhe, Überforderung oder sogar Rückfallgefahr auftreten. In den Heiligenfeld Kliniken erleben wir täglich, wie wichtig Selbstfürsorge, Achtsamkeit und psychische Stabilität für ein erfülltes Leben sind.
Deshalb möchten wir Ihnen zehn alltagstaugliche Tipps mit auf den Weg geben, wie Sie Ihren Sommerurlaub bewusst gestalten können – im Einklang mit sich selbst und Ihrer seelischen Gesundheit.
1. Realistische Erwartungen statt Perfektionismus
Urlaub „muss“ nicht perfekt sein. Gerade Menschen mit einem hohen inneren Leistungsanspruch – wie wir es oft bei Burnout oder Depression erleben – neigen dazu, auch die Erholungszeit zu einem Projekt mit Zielen und Erwartungen zu machen. Stattdessen: Reduzieren Sie Erwartungen bewusst. Ein gelungener Urlaub bedeutet nicht, dass alles reibungslos läuft, sondern dass Sie sich wohlfühlen dürfen – auch wenn mal etwas nicht nach Plan verläuft.
Tipp: Schreiben Sie vor Reisebeginn auf, was wirklich wichtig für Sie ist (z. B. Ruhe, Zeit für sich, Natur) – und richten Sie Ihren Urlaub daran aus.
2. Rituale mitnehmen – Struktur gibt Halt
Ein stabiler Tagesablauf kann auch im Urlaub wohltuend wirken. Das bedeutet nicht, jede Stunde zu verplanen – vielmehr geht es um kleine Rituale, die Sicherheit geben. Menschen mit Ängsten, Depressionen oder nach einer stationären Therapie profitieren besonders davon, gewohnte Strukturen auch im Sommerurlaub aufrechtzuerhalten.
Beispiele für Urlaubsrituale:
– Täglicher Morgenspaziergang
– Achtsamkeitsübung nach dem Frühstück
– Abends 10 Minuten Reflexion im Tagebuch
Solche Rituale vermitteln Orientierung – auch fernab des gewohnten Alltags. Sie unterstützen außerdem dabei, sich ins Hier und Jetzt zu holen und das Gedankenkarussel, das sich vielleicht auch um die eigenen Erwartungen an den Urlaub dreht, anzhalten.
3. Weniger ist mehr – Reizüberflutung vermeiden
Viele Menschen planen ihre Urlaubszeit zu voll: Stadtbesichtigungen, Ausflüge, Kultur, Kulinarik. Was gut gemeint ist, kann zur psychischen Belastung werden. Bei innerer Erschöpfung oder sensibler Reizverarbeitung (etwa nach Traumatherapie oder generell Menschen mit Hochsensibilität) sind zu viele Eindrücke kontraproduktiv.
Unser Rat: Reduzieren Sie die Programmpunkte und achten Sie auf regelmäßige Erholungspausen. Wählen Sie ruhige, naturnahe Orte statt lauter Metropolen. Fragen Sie sich: Was gibt mir Kraft – was raubt mir Energie?
4. Natur erleben – Heilung mit jedem Atemzug
Ob Wälder, Berge, Seen oder Meer: Der Aufenthalt in der Natur hat eine nachgewiesen positive Wirkung auf unsere Psyche. Schon wenige Minuten im Grünen können den Cortisolspiegel (Stresshormon) senken, die Stimmung heben und das Gefühl von Verbundenheit stärken.
Heilende Naturmomente:
– Barfußlaufen im Gras oder Sand
– Still sitzen und die Geräusche der Natur wahrnehmen
– Achtsames Gehen im Wald (Waldbaden)
Viele Patienten berichten, dass sie gerade in der Natur wieder Zugang zu sich selbst finden. Nutzen Sie diesen Raum.
Podcast: Bodyscan
5. Digitale Auszeit – Urlaub vom Dauerrauschen
Smartphone, Laptop und soziale Medien können den Urlaub durch ständige Erreichbarkeit belasten. Besonders für Menschen mit innerer Unruhe oder Selbstwertproblemen (z. B. bei Depressionen) kann der Vergleich auf Social Media belastend wirken.
Tipp: Legen Sie tägliche Offline-Zeiten fest. Lassen Sie das Handy im Hotelzimmer oder aktivieren Sie den Flugmodus für mehrere Stunden. Nutzen Sie die gewonnene Zeit für Gespräche, Lesen oder Stille. Digital Detox wirkt oft befreiend – probieren Sie es aus. Aber Achtung: Gerade wenn Sie digitale Medien sehr häufig nutzen, kann es sein, dass Sie am Anfang eher Unruhe empfinden, wenn Sie Ihr Smartphone mal beiseite legen. Nach ein paar Stunden oder Tagen legt sich das meistens von alleine. Sollte dieses Gefühl länger anhalten, dann könnte man darüber nachdenken, ob eine Arte Suchtproblematik vorliegt oder welches Bedürfnis dahinter steckt, immer erreichbar oder informiert zu sein.
6. Bewegung, aber im eigenen Tempo
Bewegung wirkt stimmungsaufhellend, angstlösend und stärkend – ein zentrales Element in jeder Psychotherapie. Doch auch hier gilt: Achten Sie auf Ihre Belastungsgrenzen. Der Urlaub ist keine Zeit für sportliche Selbstoptimierung, sondern für sanfte Aktivierung.
Geeignete Aktivitäten im Urlaub:
– Spaziergänge in der Natur
– Radfahren auf flachen Wegen
– Schwimmen im See oder Meer
– Yoga oder Dehnübungen auf dem Balkon
Wichtig ist, dass die Bewegung Freude macht – nicht Druck erzeugt.
7. Soziale Grenzen wahren
Ein gemeinsamer Urlaub mit Familie oder Freunden kann herausfordernd sein – besonders für Menschen mit sozialer Ängstlichkeit, Überforderung oder nach konfliktreichen Phasen. Sorgen Sie frühzeitig für klare Kommunikation Ihrer Bedürfnisse.
Was helfen kann:
– Rückzugszeiten einplanen
– Allein-Spaziergänge als fester Bestandteil
– Über Belastungsgrenzen offen sprechen („Ich brauche heute etwas Zeit für mich.“)
So vermeiden Sie Überforderung – und schaffen Raum für echte Begegnung.
8. Ernährung als Kraftquelle nutzen
Gutes Essen gehört zum Urlaub dazu – doch auch hier ist Achtsamkeit gefragt. Menschen mit depressiven Verstimmungen oder Essstörungen erleben oft ein ambivalentes Verhältnis zu Nahrung. Im Urlaub besteht die Chance, Essen wieder als Quelle von Genuss und Energie zu erleben – ohne Dogmen oder Selbstvorwürfe.
Achtsame Ernährung im Urlaub:
– Langsames Essen mit allen Sinnen
– Auf das Sättigungsgefühl hören
– Frische, natürliche Lebensmittel bevorzugen
– Bleiben Sie auch bei Buffet und Co. im Urlaub bei Ihren Gewohnheiten, denn eine Essensumstellung kann auch für Stress sorgen
Verzichten Sie auf starre Regeln – und lassen Sie sich auf das bewusste Genießen ein.
9. Selbstfürsorge aktiv einplanen
Der Atem ist ein mächtiges Werkzeug zur Stressregulation. Viele Patienten lernen in der Therapie einfache Atemübungen, um Anspannung zu lösen oder sich in Momenten der Unruhe zu stabilisieren.
Kurze Übung für unterwegs:
– Setzen Sie sich aufrecht hin
– Atmen Sie langsam durch die Nase ein (4 Sekunden)
– Halten Sie den Atem kurz (2 Sekunden)
– Atmen Sie durch den Mund aus (6 Sekunden)
– Wiederholen Sie dies 3–5 Mal
Diese kleine Auszeit können Sie jederzeit am Strand, im Zug oder beim Wandern nutzen. Denn gerade im Urlaub ist es immer wieder wichtig, sich durch Atemübungen ins Hier und Jetzt zu holen, um die vielen Eindrücke verarbeiten zu können.
10. Atem holen – im wörtlichen Sinn
Urlaub ist mehr als Tapetenwechsel – er kann zu einem heilsamen Ort der Selbstfürsorge werden. Doch Selbstfürsorge geschieht nicht zufällig, sondern braucht Raum und bewusste Entscheidung. Überlegen Sie: Was tut mir gut? Was möchte ich mir gönnen?
Ideen für Selbstfürsorge im Urlaub:
– Zeit für ein inspirierendes Buch
– Ein stiller Morgen mit Tee auf dem Balkon
– Ein kreatives Hobby (Skizzieren, Schreiben)
– Gespräche, die Tiefe haben
Diese Momente nähren die Seele – und helfen, neue Kraft für den Alltag zu sammeln.
Urlaub als Ressource für die Seele
Ein Sommerurlaub kann eine wertvolle Quelle der Regeneration sein – wenn wir ihn achtsam und im Einklang mit unseren inneren Bedürfnissen gestalten. Die hier genannten Tipps stammen aus unserer langjährigen Erfahrung in der psychosomatischen Behandlung und Nachsorge in den Heiligenfeld Kliniken. Wir wissen: Selbstfürsorge ist keine Schwäche – sondern der wichtigste Schritt auf dem Weg zu innerer Stabilität.
Gönnen Sie sich diesen Schritt – Sie haben ihn verdient.
Ihr Team der Heiligenfeld Kliniken Bad Kissingen
Mehr Resilienz im Leben
Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren
Psychologische Sicherheit: Der Schlüssel für Vertrauen und Veränderung
„Ich darf einfach ich sein.“ – Psychologische Sicherheit ist mehr als ein Trend: Sie ist die Basis für Vertrauen, Heilung und persönliche Entwicklung. Sven Steffes-Holländer zeigt, warum sie gerade in der Therapie – aber auch in Teams und Beziehungen – eine zentrale Rolle spielt. Ein Beitrag über Menschlichkeit, Mut und echtes Zuhören.
Was sind Affirmationen und wie helfen sie in der Therapie?
Was sind Affirmationen und wie helfen Sie in der Therapie? Was ist der Unterschied zu einem Glaubenssatz? All das erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.
Emotionsregulation – Strategien zum achtsamen Umgang mit Gefühlen
Jeder Mensch kennt intensive emotionale Reaktionen: plötzliche Wut, lähmende Angst oder tiefe Traurigkeit. Oft erleben wir diese Zustände als überfordernd oder unangenehm. Doch anstatt sie zu unterdrücken oder zu ignorieren, lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Der bewusste Umgang mit Emotionen und deren bewusste Verarbeitung – also die sogenannte Emotionsregulation – ist ein zentraler Schlüssel zu psychischer Gesundheit, innerer Stabilität und erfüllten Beziehungen.
Vertrauen – die Basis für ein gutes Leben
Vertrauen – ein großes Wort. Doch was ist Vertrauen überhaupt und kann man Vertrauen lernen? Was bestimmt unser Vertrauen? Der Gründer der Heiligenfeld Kliniken, Dr. Joachim Galuska, hat sich für einen Fachbeitrag in der Zeitschrift maas all diesen Fragen gewidmet.
Hochbegabung und deren Auswirkungen auf die Psyche
Eine Hochbegabung hat oft auch Auswirkungen auf die Psyche. Depressionen, Essstörungen etc. können die Folge sein.
Körpergedächtnis und Embodiment
Psychische Belastungen werden oft auch im Körper sichtbar. Das Körpergedächtnis speichert sie. Beim Embodiment geht man davon aus, dass der Körper Gefühle widerspiegelt.