Vor einiger Zeit hatten wir im Blog über ADHS bei Erwachsenen geschrieben. Heute hat uns der Chefarzt der Heiligenfeld Klinik Berlin, Sven Steffes-Holländer ein paar Fragen zu diesem Thema beantwortet.
Wie erkennt man ADHS im Erwachsenenalter?
Das Beschwerdebild von ADHS zeigt sich nicht in jeder Altersstufe gleich, sondern verändert sich im Laufe des Lebens. Im Erwachsenenalter ist die motorische Hyperaktivität meist nicht mehr so ausgeprägt wie bei Kindern und Jugendlichen, weshalb man dann oft nur von einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) spricht.
Innere Unruhe, Vergesslichkeit und Schusseligkeit rücken eher in den Vordergrund von ADHS bei Erwachsenen. Symptome wie impulsives Verhalten und unüberlegte Handlungen sind aber weiterhin vorhanden. Viel zu selten werden diese Anzeichen als ADHS-Symptome erkannt. In der Regel zeigt der Betroffene diese Verhaltensweisen schon seit so langer Zeit, dass sie als Teil seiner Persönlichkeit wahrgenommen werden.
Vor welchen Herausforderungen stehen Betroffene im Alltag?
Die verminderte Fähigkeit, Impulse zu steuern, wirkt sich vor allem in Kombination mit Stress negativ aus. Neue Situationen und Aufgaben sind daher eine große Herausforderung für Erwachsene mit ADHS. Sie erzeugen Stress, den die Betroffenen aufgrund ihrer mangelnden Organisationsfähigkeit nur schlecht bewältigen können. Laufen dann die Dinge nicht wie erhofft, sind sie oft stark frustriert. Das äußert sich oft in Gereiztheit und Jähzorn. Die geringe Stress- und Frustrationstoleranz erschweren sowohl das berufliche als auch das soziale Leben.
Wie wird ADHS bei Erwachsenen diagnostiziert?
Bei der Diagnose von ADHS bei Erwachsenen orientieren wir uns in der Regel an den Diagnosekriterien von ADHS im Kindes- und Jugendalter. ADHS im Erwachsenenalter zu erkennen, ist generell besonders schwierig. Zum einen können die Symptome auch auf einer anderen psychischen Störung beruhen. Zum anderen muss für die Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter sichergestellt werden, dass die Erkrankung bereits im Kindesalter bestanden hat. Bei der Diagnose von ADHS bei Erwachsenen orientiert sich ein Psychiater oder Psychotherapeut in der Regel an den Diagnosekriterien von ADHS im Kindes- und Jugendalter.
Wie wird ADHS bei Erwachsenen in der Heiligenfeld Klinik Berlin behandelt?
In der Behandlung unterstützen wir Betroffene Bewältigungsstrategien zu entwickeln, mit denen sie Alltag und Beruf erfolgreich meistern können. Vor allem Schwierigkeiten mit der Arbeitsorganisation sowie der beruflichen und privaten Kommunikation sind gut psychotherapeutisch behandelbar. Durch unsere Selbststeuerungsgruppe lernen ADHS-Patient*innen, wie sie ihre Impulsivität besser kontrollieren können. Einzeln und in der Gruppe werden Verhaltensweisen eingeübt, die den Alltag mit den Kollegen, der Familie oder dem Partner erleichtern.
Welchen Effekt hat die Therapie auf Betroffene?
Insgesamt reagieren Erwachsene mit ADHS viel emotionaler als andere Menschen und empfinden Gefühle intensiver – auch die positiven. Außerdem gehen sie offener und spielerischer an die Dinge heran und entwickeln oft besonders originelle Ideen. Gelingt es ihnen, ihren Ideenreichtum zu kanalisieren und zu nutzen, können Erwachsene mit ADHS im Beruf sogar ausgesprochen erfolgreich sein. Wir helfen durch unsere Behandlung Betroffenen, problematische Aspekte ihrer Erkrankungen besser bewältigen zu können, aber auch ihre Ressourcen wahrzunehmen und in den Alltag zu integrieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
Sven Steffes-Holländer
Sven Steffes-Holländer ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Sozial- und Ernährungsmediziner (KÄB).
Er leitet als Chefarzt die Heiligenfeld Klinik Berlin.