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Toxische Beziehungen – ein belastender Kreislauf

Mann und Frau streiten sich.

Beziehungen mit anderen Menschen können nicht nur Freude, Halt und Liebe bringen, sondern auch eine starke Belastung sein. Besonders schwierig wird es, wenn Machtspiele, Schuldzuweisungen und Distanz den Alltag bestimmen. Hier sprechen wir von toxischen Beziehungen.

In diesem Beitrag wollen wir darüber sprechen, was eine toxische Beziehung ausmacht, welche Merkmale und Folgen zu beachten sind und welche Wege es gibt, damit gesund umzugehen.

Was ist überhaupt toxisches Verhalten?

Toxische Beziehungen sind z. B. Partnerschaften, in denen das Miteinander schädlich für mindestens einen Beteiligten ist. Sie machen größtenteils unglücklich, können das Selbstwertgefühl zerstören und belasten emotional.

Bei toxischen Dynamiken lassen sich grundsätzlich zwei verschiedene Formen unterscheiden:

In einseitig toxischen Beziehungen übt eine Person Gewalt aus, während die andere primär Opfer ist. Die schädigenden Handlungen können körperlicher, sexueller oder psychischer Natur sein. Wichtig hierbei ist anzumerken, dass in einseitigen toxischen Beziehungen das Opfer keine Verantwortung für die Gewalt hat, denn egal was das Opfer tut oder lässt, der Täter bzw. die Täterin wird immer Kontrolle oder Gewalt ausüben.

Im Gegensatz zur einseitigen Dynamik tragen in wechselseitigen toxischen Dynamiken beide Parteien aktiv zur Aufrechterhaltung schädlicher Muster bei. Häufig entsteht hier eine emotionale Abhängigkeit, bei der sich beide Personen in ihren problematischen Verhaltensweisen ergänzen. Veränderung sind hier möglich, wenn beide die eigenen Muster erkennen und ändern wollen.

Merkmale

Physische Gewalt

Wenn in einer Beziehung physische Gewalt auftritt, kann von einer gesunden Partnerschaft nicht mehr die Rede sein. Es handelt sich um eine toxische Beziehung, bei der sich Gewalt vor allem durch körperliche Angriffe und sexuelle Übergriffe zeigt, aber auch subtiler – etwa als Androhung oder auch als Einschränkung der Handlungs- und Bewegungsfreiheit – auftreten kann.

Psychische Gewalt

Während die physische Gewalt meist deutliche äußere Spuren hinterlässt, ist die psychische Gewalt oftmals verborgen, aber nicht weniger schädlich. In diesem Zusammenhang setzen Täter bzw. Täterinnen die emotionale Gewalt gezielt ein, um ihre Opfer zu verunsichern und die Kontrolle über sie zu erlangen. Das kann dazu führen, dass Betroffene an sich und ihrer Wahrnehmung zweifeln und misstrauisch gegenüber anderen werden, wodurch es ihnen schwerer fällt, Hilfe zu suchen.

Insgesamt soll das Opfer bei psychischer Gewalt langfristig manipuliert werden. Folgende Merkmale sind charakteristisch für toxische Dynamiken in einer Beziehung:

  • Love Bombing: Hierbei wird das Gegenüber direkt am Anfang der Beziehung mit übertriebenen Liebesbekundungen überhäuft. Dabei bekommen Opfer das Gefühl, wertvoll und besonders zu sein. Doch im weiteren Verlauf der Beziehung wird diese Methode vom Partner bzw. der Partnerin gezielter genutzt – z. B. um Abhängigkeit aufzubauen („Du bist das Beste, was mir jemals passiert ist.“ „Du kannst mir nicht verübeln das getan zu haben, um bei dir zu sein.“)
  • Kontrolle alltäglicher Routinen: Die eigenen Grenzen werden vollständig ignoriert und der Partner bzw. die Partnerin kontrolliert die finanzielle Situation, den Schlafrhythmus, die Ernährungsgewohnheiten, das intime Verhalten, die Kleiderwahl und die Freizeitgestaltung, teils sogar unter Einsatz von Überwachungstechnologien.
  • Isolation: Darunter zählt das Fernhalten von Freundinnen, Freunden und der Familie; Kontrolle der Kommunikationswege (Handy, Social-Media); Zugang zu medizinischer und psychologischer Hilfe wird verhindert; Verbot, das Haus zu verlassen.
  • Mangel an Respekt, Vertrauen und Akzeptanz: Häufig kommen Bloßstellung, Beleidigung, Abwertung und Liebesentzug vor. Dabei nutzt der Täter bzw. die Täterin gezielt die Schwächen und Unsicherheiten des Opfers, wie B. „Du bist verrückt, hässlich, unwichtig, nicht gut genug.“ etc.
  • Einschüchterung und Drohungen: Erzeugung von Angst durch ständige Kontrolle über das Telefon; unvorhergesehenes Erscheinen oder Stalking; Androhung von Trennung, Gewalt, Suizid oder Entziehung von Kindern sowie Preisgabe privater Informationen.
  • Gaslighting (Psychologische Manipulation): Der Täter bzw. die Täterin verdreht die Tatsachen des Problems, indem er oder sie gezielt Selbstzweifel beim Partner oder der Partnerin hervorruft, das Selbstwertgefühl reduziert und die Wahrnehmung des Gegenübers in Frage stellt. Die Methoden dafür sind Schuldzuweisung („Ich habe dir nichts erzählt, weil du immer ein Problem daraus machst und wir uns streiten.“), Lügen, Unterstellung oder vorgetäuschte Fürsorge („Ich habe das nur getan, weil du mir wichtig bist.“)
  • Hoovering: Eine Methode, bei der das Opfer wieder in den Bann des Täters bzw. der Täterin gezogen werden soll. Der Täter bzw. die Täterin ignoriert die Trennung, täuscht Reue vor, verspricht Veränderung oder erfüllt die lange zurückgestellten Bedürfnisse. Doch diese Bemühungen halten nicht lange an; die toxischen Strukturen kehren schnell wieder zurück und der Kreislauf beginnt von vorne. Das Ziel des Täters bzw. der Täterin ist die Wiedererlangung von Kontrolle.
  • Opfermentalität: In den Augen des toxischen Partners bzw. der Partnerin sind häufig andere Schuld für ihre Probleme und sie selbst sind das Opfer.
  • Fehlende Empathie: Der Partner bzw. die Partnerin lehnt es ab, sich in die Perspektiven und Gefühle anderer einzufühlen.
  • Kritisches Verhalten: Der Täter bzw. die Täterin kritisiert ständig sein/ihr Gegenüber und sagt häufig, was mit ihm oder ihr nicht stimmt. Infolgedessen findet sich der Partner die Partnerin in ständiger Verteidigung wieder.
  • Emotionale Abhängigkeit: Dies bedeutet, dass eine Person ihre Gefühle und Handlungen vom Partner der Partnerin abhängig macht. Sie richtet ihr Handeln oft danach aus, wie das Gegenüber auf das Verhalten reagieren könnte, und sucht ständig nach Bestätigung und Sicherheit bei ihm bzw. ihr. Schon bei kleinen Konflikten oder Zurückweisungen kann das Wohlbefinden beeinträchtigt sein.
  • Starke Hass-Liebe-Dynamik: Sie erleben ständig einen Wechsel von Nähe und Konflikt, geraten immer aneinander, aber können sich kaum voneinander lösen, weil sie emotional abhängig sind.
  • Gegenseitige Manipulation: Beide Personen versuchen unbewusst oder bewusst, den anderen zu beeinflussen, z. B. durch Schuldgefühle, Kritik oder emotionale Erpressung.

Negative Folgen einer toxischen Beziehung

Die oben aufgeführten Merkmale können für Betroffene unterschiedliche Folgen haben:

  • Einsamkeit: Betroffene fühlen sich oft einsam, obwohl sie nicht allein sind. Grund dafür ist die Isolation von Freunden und Freundinnen sowie der Familie sowie die Überwachung und Kontrolle durch den Partner bzw. die Partnerin.
  • Dauerstress: Betroffene stehen ständig unter Stress. Dies kann unter anderem zu folgenden psychophysischen Reaktionen führen:
    • Nachlassende Leistungsfähigkeit
    • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
    • Ein- und Durchschlafprobleme
    • Geschwächtes Immunsystem
    • Schwierigkeiten, zur Ruhe zu kommen
    • Magen- und Darmbeschwerden
    • Häufige Kopfschmerzen
  • Verlust der Autonomie:
    • Das eigene Leben richtet sich vollständig nach dem Partner der Partnerin aus
    • Persönliche Träume und Wünsche treten in den Hintergrund
    • Die eigene Stimmungslage hängt stark von der Gefühlswelt des Gegenübers ab
    • Eigene Freiräume existieren kaum
  • Verlust des Selbstwertgefühls: Es entsteht ein grundlegender Zweifel an sich selbst und am eigenen Gespür im Umgang mit Menschen.
  • Angstzustände: Betroffene befinden sich in permanenter Alarmbereitschaft vor weiteren emotionale Angriffen. Angsterkrankungen können sich entwickeln. 
  • Depressionen: Dauerhafte Niedergeschlagenheit, Erschöpfung, keine Freude an Dingen, die früher Spaß gemacht haben, Verzweiflung, Gefühl der inneren Leere können in eine Depression münden. 
Negative Folgen einer toxischen Beziehung

Wie gehe ich mit toxischen Beziehungen um?

Wie mit einer toxischen Beziehung letztendlich gesund umgegangen werden soll, hängt davon ab, in welcher dynamischen Struktur man sich befindet. In allen Fällen kann es hilfreich sein, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. In wechselseitigen toxischen Dynamiken ist Veränderung möglich, sofern beide bereit sind, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Dafür ist es notwendig, dass beide erkennen, dass Veränderungen nötig sind und auch der Wille besteht, aktiv daran zu arbeiten.

Besteht eine einseitig toxische Dynamik, bei der nur eine Person eine Veränderung anstrebt und die andere Partei nicht bereit ist, ihr Verhalten zu hinterfragen und zu ändern, ist eine Verbesserung in der Regel kaum möglich. In diesem Fall ist eine Trennung die gesündeste Lösung, da die Fortführung der Beziehung weiterhin körperliche und seelische Schäden verursachen wird.

Selbsthilfegruppen

Selbsthilfegruppen sind Treffen von Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, z. B. mit narzisstischem Missbrauch, emotionaler Abhängigkeit oder Gewalt. Hier ist oft ein kostenloser Austausch im geschützten Raum mit Verständnis und Rückhalt von anderen Betroffenen möglich.

Onlineberatung

Onlineberatungen sind ideal, wenn man anonym bleiben möchte und keinen direkten Zugang zu einer Beratungsstelle hat. Sie sind rund um die Uhr erreichbar und bieten eine Chat- oder E-Mail-Beratung durch Fachkräfte an.

Frauenhäuser

Frauenhäuser sind sichere Zufluchtsorte für Frauen (und oft auch ihre Kinder), die von Gewalt betroffen sind. Sie geben Schutz und Unterkunft, psychosoziale Beratung und Hilfe bei rechtlichen und organisatorischen Fragen. Online gibt es eine bundesweite Suche für Frauenhäuser.

Hilfetelefon

Hilfetelefone sind ein bundesweites, kostenloses und anonymes Angebot. Sie bieten eine telefonische Beratung für Betroffene selbst, aber auch für Angehörige.

Psychotherapie

Eine professionelle Therapie hilft dabei, die psychischen Folgen einer toxischen Beziehung zu verarbeiten und das Selbstwertgefühl zu stärken. In der Psychotherapie lernt man, toxische Muster zu erkennen und diese Schritt für Schritt loszulassen. Ein Klinikaufenthalt, wie in den Heiligenfeld Kliniken, kann dabei helfen, Abstand zu gewinnen und sich über die folgenden Schritte klarzuwerden. Die Psychotherapie kann dabei unterstützen, aus einer toxischen Beziehung auszubrechen und langfristig gesunde Beziehungen im eigenen Leben zu gestalten. 

Podcast: Angst und Panik - eine Übung

In diesem Podcast lernen Sie eine Übung kennen, die Ihnen bei aufkommender Angst helfen kann, Ihre innere Unruhe zu bekämpfen.

Weiterführende Inhalte

Toxische Beziehungen haben einen sehr großen Einfluss auf das Leben der Betroffenen. Häufig ist das Vertrauen in andere Menschen sehr erschüttert, wenn man es geschafft hat, sich daraus zu lösen. Vertrauen in sich und seine eigene Wahrnehmung ist die Basis, um in ein Leben mit gesunden Beziehungen zu starten. Lesen Sie dazu auch unsere anderen Texte zum Thema Vertrauen. 

Vertrauen - Die Basis für ein gutes Leben

Lesen Sie, warum Vertrauen die Basis für ein gutes Leben ist.

Psychologische Sicherheit

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Quellen


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René Greiner ist Diplom-Psychologe in den Heiligenfeld Kliniken.

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Christian Memmel ist Online-Marketingmanager und schreibt für den Heiligenfeld Blog.
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